3. Nachtigallen im Wittekind-Bad
Thiele hatte zunächst nur nach einem erholsamen Fleckchen für seine Kinder gesucht.
1846 eröffnete er eine „Bade und Trinkanstalt“, die sich großen Zuspruchs erfreute, sicherlich nicht zuletzt der reizvollen Lage wegen. Die heilsame Sole betrug im Brunnen 10 Grad und wurde äußerlich und innerlich angewendet.Skrofulose, chronischen Schleim- katarrhen, Unterleibs- und Haut- krankheiten wurde damit zu Leibe gerückt. War das medizinische Pflichtprogramm erledigt, folgte die ebenso wichtige Auflockerung der Psyche.
Dazu lud der große Park tags und besonders abends ein. Da sangen nicht nur die Nachtigallen, sondern auch Natursänger, die jodelten. Der Park war großartig illuminiert, Feuerwerke und Luftballons stiegen zum Himmel auf.
Thiele bemühte sich jahrelang um eine ministerielle Anerkennung seines Bades, um Badesalz und Brunnen in anderen Krankenanstalten einführen zu lassen. Das wurde abgelehnt.
Dennoch erfreute sich sein Bad in der Zeit von 1846 bis 1870 großen Zuspruchs. Fast 18 000 Gäste kamen in diesem Zeitraum unter anderem aus Polen, Rußland und Italien hierher. Zu den berühmten Gästen gehörte Friedrich Nietzsche, der sich während seines Militärdienstes 1868 bei einem indianerverdächtigen Sprung aufs Pferd das Brustbein verletzt hatte. Er soll den Aufenthalt im Wittekindbad als zwiespältig empfunden haben, ist aber dann doch als völlig geheilt versöhnt geschiedenMit der Angliederung an Halle und dem 1906 erfolgten Ankauf durch den Zoologischen Garten, durch Straßen- und Wohnungsbau ging die idyllische Abgeschiedenheit verloren. 1922 wurde der Badebetrieb eingestellt.
Doch die Nachtigallen kann man, wenn man sommers im Café Bolldorf sitzt, immer noch hören.